Was Fasten mit Resilienz zu tun hat

Seit Wochen drängt mich der Ehepeter (für die Neuen: „Mein“ Ehemann Peter ?) damit, dass er noch dieses Jahr fasten möchte. Wir haben Herbst. Das ist die Jahreszeit in der ich am meisten schlafe und am meisten friere.

Frieda (Mein Rad ohne E-Antrieb) und ich sind seit Juni mehrmals in der Woche von Konstanz nach Radolfzell unterwegs.

Und dann soll ich noch hungern? Wo ich mit leerem Magen noch viel mehr friere. Die Vorstellung daran, löst nicht gerade Glücksgefühle bei mir aus. Auch nicht die Vorstellung schon am Freitag zu starten. Wo wir an den Wochenenden besonders fein kochen und schlemmen. Ich fürchte, wir sind dann beide unterzuckert und gereizt und kriegen uns in die Haare. Lieber nicht, denke ich. Vielleicht im Frühjahr, um Winter- und Coronaspeck loszuwerden.

Im Lockdown haben die Deutschen im Durchschnitt mehr als 5 kg pro Person zugenommen

Aber er kann da hartnäckig sein. Wo er sonst oft genug (für meinen Geschmack in letzter Zeit zu oft) mit Knabbersachen auf dem Sofa neben mir sitzt. Und mich mit dem Anblick und Geräusch quält. Was dann dazu führt, dass ich mal mehr, mal weniger widerstehen kann.

Trotzdem reizt mich der Gedanke. Ich lese mich etwas in die Thematik ein und werde neugierig.

Am Freitag, den 12. November 2021 starten wir.

1.Heilfasten-Tag (Freitag)

Zum Glück bin ich Zuhause! Normalerweise gehe ich als erstes in die Küche und bereite mir einen Kaffee zu. Achtung: heute nur Tee. Und Wasser. Mittags Gemüsebrühe.

Ich habe Hunger. Großen Hunger. Ein Loch im Bauch. Deshalb trinke ich viel. Tee. Tee. Noch mehr Tee. Es ist Mittag: da gibt es Gemüsebrühe.

Statt Glaubersalz trinke ich Sauerkrautsaft zur völligen Darmentleerung. Nicht nur, weil es mir schmeckt, sondern auch besonders gute Bakterien für meine Darmflora und Vitamin C liefert.

Bin ziemlich lustlos, für mein temperamentvolles Gemüt eher ungewöhnlich.

Ab 18:00 Uhr schleppe ich mich verfroren und müde aufs Sofa. Mit Wärmeflasche. Mag nicht mal lesen. Habe Kopfweh. Schlafe schnell ein. Wache immer wieder auf, gucke Fernsehen, schlafe wieder ein, bis ich gegen 23.00 Uhr ins Bett wechsle.

2.Heilfasten-Tag (Samstag)

Wache früh auf. Mist, es ist doch Wochenende! Will schlafen, da spüre ich den Hunger wenigstens nicht! Wälze mich noch eine Weile oder Stunde im Bett herum. Wieder einschlafen gelingt nicht.

Insgesamt fühle ich mich fitter als gestern. Im Gegensatz zum glücklichen Kind (warum ich das behaupte, kannst du hier lesen). Und schon hängt es über der Schüssel. Übergibt sich. Das hatten wir Jahre nicht. Zum Glück. Es legt sich wieder ins Bett. Am Nachmittag versuchen wir es mit Zwieback.

Gemein, aber ich denke: Dann muss ich mich wenigstens nicht mit Essen beschäftigen.  

Immer wieder habe ich großen Hunger. Ein Loch, das manchmal fast schon weh tut. Nicht die ganze Zeit. Ich halte es aus. Warte bis es vorbei ist. Viel warmer Tee. Fasten- und Basentee. Ich mag diese Kräutertees. Kaffee fehlt mir nicht so.

Bin weniger gereizt als vermutet Der Ehepeter auch. Toll: Auch die befürchteten Kopfschmerzen sind nicht mehr gekommen.

3.Heilfasten-Tag (Sonntag)

Habe gut geschlafen. Wache mit Hunger auf. Weil ich gelesen habe, dass die ersten 3 bis 4 Tage diesbezüglich besonders herausfordernd sind, nehme ich es zur Kenntnis und lenke mich ab. Fühle mich insgesamt fit und habe Lust etwas zu tun. Ordnung machen. Ausmisten. Das klingt gut und tut gut.

Das glückliche Kind kommt mir freudestrahlend entgegen, umarmt mich und freut sich, dass es ihm wieder gut geht. Frühstückt ganz normal sein Müsli. Ich freue mich mit und versuche zu vermeiden, zu sehr auf das Essen zu stieren.

Am Nachmittag machen wir einen Familienspaziergang. Die beiden laufen mir zu schnell. Das strengt mich an. Habe das Gefühl meine ganze Kondition verloren zu haben, obwohl ich letzte Woche fast 170 Kilometer mit Frieda (mein wunderbares Fahrrad ohne E-Antrieb) gefahren bin.

Die frische Luft und intensiv atmen tut immer gut. Wir spielen Last-one-laughing. Mit Abstand der Gewinner: der Ehepeter. Mein Schrittzähler lobt: 16.592 Schritte.

Ein bisschen Bammel habe ich vor Montag. Einen Arbeitstag durchstehen – ohne Essen? Reicht meine Energie dafür aus? 3 Tage ist ja auch schon mal keine schlechte Bilanz. Das habe ich in meinen 50 Lebensjahren noch nicht geschafft.

Endlich: Am Nachmittag lässt dieser ganz große Hunger nach. Das Loch im Bauch scheint geschlossen. Ein gutes Gefühl. Leider sehr schlecht und spät eingeschlafen.

4.Heilfasten-Tag (Montag)

Bereits um 05:18 Uhr aufgewacht. Um halb sechs auf die Waage. Höre in mich hinein und stelle fest: Es geht mir gut. Kein Schwächegefühl oder übergroßen Hunger. Bin bereit für neue Abenteuer und gespannt, was der Tag so bringt.

Ab heute trinken wir Gemüse- und Obstsaftschorle. Außer Gemüsebrühe und Tee.

Habe oft ein Durstgefühl, obwohl ich sehr viel trinke (schätze 4 Liter).

Mmmmh, Karottensaft mit Rote Beete-Saft lecker. Und es reicht mir.

Für diesen Tag sehr zufrieden. Fühle mich den ganzen Tag fit.

Abends gibt es Gnocci (auch lecker ?) für das glückliche Kind. Die macht es sich selbst. Bin froh, nicht so viel mit Essen in Berührung zu kommen.

Wieder schlecht eingeschlafen. Aber nur im Bett. Auf dem Sofa ziemlich früh.

5.Heilfasten-Tag (Dienstag)

Wieder früh wach. Wie überstehe ich den 2. Arbeitstag mit so wenig Schlaf und ohne feste Nahrung?

Erstaunlich gut. Bei der Team-Besprechung isst eine Kollegin ihr Morgenmüsli. Würde ich nicht Nein sagen. Aber dann ist der Hunger doch nicht so groß, um mich bei ihr unbeliebt zu machen.

Fühle mich fit, leicht und freue mich über meine Standhaftigkeit. Denke sogar darüber nach, das Fasten auf 10 Tage auszudehnen. Bedanke mich bei dem Ehepeter dafür, dass er mich motiviert hat, das Heilfasten zu versuchen.

Es tut mir ein bisschen leid, dass das glückliche Kind so ganz allein am Esstisch sitzt: Maultäschle mit Ei überbacken. Mag ich nicht.

Am späten Nachmittag habe ich ein komisches Gefühl in meinen Waden. Nehme Magnesium ein.

Nervig: Wieder über 1 Stunde im Bett wach gelegen, bis ich einschlafen konnte.

6.Heilfasten-Tag (Mittwoch)

Geht’s noch? Der Wecker zeigt 05:04 Uhr an, als ich meine Augen öffne. Auf die Waage: Uiuiuiui! Schöner Nebeneffekt. Fühle mich gar nicht so müde, wie sonst bei viel zu wenig Schlaf.

Das komische Gefühl in den Waden ist noch da. Nehme nochmals Magnesium ein.

Ab ca. 11:30 Uhr habe ich den Geruch von Schokokuchen in der Nase. Das ist hart. Ich träume von Mandeln oder Haselnüssen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Mittags fliehe ich und mache einen Spaziergang, kaufe Karottensaft.

Ein langer Arbeitstag geht zu Ende. Meine Waden fühlen sich genauso gut an, wie der Rest. Der Ehepeter sagt, es ist ihm heute sehr schwergefallen und dass er keine Lust mehr hat zu fasten. Ich wäre bereit noch bis Sonntag weiterzumachen.

Bedanke mich noch einmal bei ihm und erinnere mich daran, wie er sich vor fast 3 Jahren bei mir dafür bedankt hat, dass ich ihn motiviert habe, wieder laufen zu gehen.

2016 – mit Mitte 40 habe ich mit dem Joggen begonnen. Es hat noch fast 2 Jahre gedauert, bis der Ehepeter in seine Laufschuhe geschlüpft ist und wieder angefangen hat. Mittlerweile ist er schon mehrere Halbmarathons gelaufen.

Wir beschließen am Donnerstag das Fasten zu beenden.

Am Abend wieder über eine Stunde im Bett wach gelegen. Ist halt so.

7. Heilfasten-Tag – Fastenbrechen (Donnerstag)

Am Morgen ist schon klar: Heute wird die Sonne scheinen. Nicht nur in meinem Herzen, sondern auch hier über dem bezaubernden Bodensee. Was fühle ich mich gut! Immerhin bis fast 07:00 Uhr geschlafen.

An apple a day keeps the doctor away…

Ein Apfel wird auch unsere erste Mahlzeit sein. Trotz bester Demeter-Qualität nage ich nicht ganz so begeistert an den sternförmig dekorierten Apfelstückchen herum, wie erwartet. Geschmacksexplosion Fehlanzeige. Und 30 Mal kauen? Da habe ich immer Angst ich kaue auf meiner eigenen Zunge herum. Versuche es trotzdem, um mein Verdauungssystem zu schonen.

Gute kauen und leicht verdaulich starten ist auch gaaanz wichtig. Statt mit Haxe oder Schokokuchen.

Die Sonne zeigt sich in ihrer ganzen Pracht an diesem Novembertag. Was für ein Geschenk. Ich gehe Mittags spazieren und könnte lossprinten so gut und energiegeladen fühle ich mich gerade. Fast so, wie damals bei meinem allerersten und bisher einzigen Konstanzer-Frauenlauf in 2019. Da sind mir vor Glück die Tränen über die Wangen gelaufen. Und ich meine absolute Bestzeit.

Dieses Glücksgefühl speichere ich mir ab mit Backup im Herzen. Für das nächste Mal.

Aber dann bitte im Frühjahr.

Hard facts

Mein Gewicht (also Fett, Muskeln, Wasser) hat sich während des Fastens um genau 3,5 kg reduziert.

Der BMI ist dadurch von 24,0 auf 22,6 gesunken. Mein Körperfettanteil hat sich von = 33,9 auf = 32,1 % verringert.

Erfreulicherweise hat sich durch das Fasten das besonders gesundheitsschädliche Viszeralfett von 7 auf 5 reduziert. Ein Wert zwischen 7 und 11 ist laut meiner Handyapp (wir haben seit Mai eine Körperfettwaage) akzeptabel. Ein Wert von 5 ist gut.

Der Ehepeter hat insgesamt 4,4 kg verloren. Sein Körperfettanteil von 25,0 auf 22,9 %. Sein Viszeralfett hat er von 7 auf 6 und seinen BMI von 24,2 auf 22,8 reduziert.

Feeling Facts

Wenn ich die 21 Kilometer mit Frieda von Konstanz nach Radolfzell fahre, fühle ich mich fantastisch fit. Das hält circa 2 Stunden an. Das Fasten hat mir dieses Gefühl ab dem 4. Tag – bis auf wenige Momente – den ganzen Tag über beschert. Kein Mittags- oder Nachmittagstief ab dem 3 Tag. Genial.

Am liebsten ganzjährig mit dem Rad unterwegs

Ich habe mich so präsent und fit gefühlt, dass ich mit sehr viel weniger Schlaf ausgekommen bin. Meine Bedenken waren unnötig: Arbeiten und fasten funktioniert hervorragend für mich.

Anmerkung

Das ist meine persönliche Erfahrung. Fasten ist nicht für jede*n geeignet. Wer das erste Mal fastet, bitte unbedingt Rücksprache mit dem Arzt halten.

Fasten hat in vielerlei Hinsicht Vorteile: gerade Menschen mit chronischen Krankheiten, insbesondere Entzündungskrankheiten, wie Rheuma oder Arthrose, auch Neurodermitis, Autoimmunkrankheiten und psychische Erkrankungen wie Depressionen sollen sich merklich verbessern – habe ich gelesen.

Da ich selbst davon nicht betroffen bin, bin ich nicht tiefer in das Thema eingestiegen, wollte es aber erwähnen. Bitte erkundige dich selbst, wenn du fasten möchtest.

Ich praktiziere auch das intermittierende Fasten, das auch schon sehr viele positive gesundheitsfördernde Auswirkungen hat. Herausgefunden hat man das bei Untersuchungen u. a. mit Menschen, die gesund sehr alt (Ü100) geworden sind.

Was Fasten mit Resilienz zu tun hat

Eine ganze Menge!

Das Prinzip der Resilienzförderung (so wie ich Menschen unterstütze) beruht auf dem Konzept der Salutogenese (lat. Salus = Gesundheit, griechisch genese = Entstehung). Bedeutet: Entstehung und Erhaltung von Gesundheit – psychisch und physisch.

Die Basics wie gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung lernst du bei mir weniger, sondern die multimodale Stressbewältigung. Das eine bedingt oft das andere: Stress macht dick. Da löst sich oft schon viel auf.

Selbstwirksamkeit

Ich habe mir selbst – bewusst und freiwillig – für diese Challenge entschieden. (Nicht, dass es davon zu wenige in meinem Leben geben würde. Neugierig? Hier mehr erfahren). Ich habe in dieser Zeit mein (Körper-)Bewusstsein aktiviert und mein Selbstwirksamkeitsgefühl wieder einmal sehr deutlich gespürt: In meinem kleinen Kosmos kann ich etwas bewirken. Ich habe einen enormen Einfluss auf mein Wohlbefinden und meine Gesundheit.

Das ist gerade in Zeiten, in denen wir uns so oft fremdbestimmt fühlen, ein sehr wertvolle Erfahrung, die mich zusätzlich stärkt.

Hohe Motivation durch Kohärenzgefühl

Wie man das durchhält? Immer, wenn du einen echten Sinn in dem was du tust oder tun möchtest, siehst, wird es dir viel leichter fallen, dein Vorhaben erfolgreich umzusetzen.

Deshalb sind viele Ziele, die sich Menschen setzen, zum Scheitern verurteilt: weil es keine echten Herzenswünsche sind, sondern Ziele, von denen sie glauben, sie müssten sie erreichen. Es sollte sich aber für dich stimmig anfühlen. Du solltest auch das Gefühl haben die Herausforderung bewältigen zu können.

Neugierig zu bleiben, sich selbst Herausforderungen suchen und Neues lernen, das macht resiliente Menschen aus. Ohne dich zu überfordern und selbst unter Druck zu setzen.

Wenn wir gesünder leben und uns gute Gewohnheiten aneignen wollen, ist es entscheidend, dass wir es mit Begeisterung tun. Das Fasten hat mir so ein Wohlgefühl geschenkt, das möchte ich wieder machen! Dann können wir langfristig dabei bleiben und in Bewegung kommen.

Und besonders schön war für mich, diese Erfahrung mit meinem Mann gemeinsam machen zu dürfen. Geteiltes Leid ist immer halbes Leid und geteilte Freude, doppelte Freude. (Resilienzfaktor „Beziehungsgestaltung“).

Unser Gewicht versuchen wir nun zu halten und wollen künftig 2 Mal im Jahr Heilfasten.

Was ich das nächste Mal anders mache

  • Unbedingt den Tag vor dem Fasten schon ausschließlich leichte Kost und den Darm komplett entleeren. Ich erhoffe mir dadurch (so habe ich es recherchiert), dass das ganz starke Hungergefühl etwas früher nachlässt.
  • Gemüsebrühe selbst kochen – einfach weil es gesünder ist!
  • Mich darauf einstellen, dass ich mehr Zeit zur Verfügung habe, weil ich nicht kochen, weniger einkaufen muss und viel weniger Schlaf benötige.

Habe ich dir jetzt Lust aufs Fasten gemacht? Ich freue mich über deinen Kommentar.

Fröhliche Grüße vom bezaubernden Bodensee, deine Sandra