Meine ganz persönliche Resilienz-Challenge geht weiter

Was habe ich mir diesen Sommer herbeigesehnt! Mit seiner aufkommenden Leichtigkeit. Die dunkle Wolke der Pandemie würde sich wieder lichten. Und wir könnten sie zumindest ab und zu wie einen schweren Mantel in den Schrank hängen. Eintauschen gegen Sommerkleidung, die leicht und zart meine Haut bedeckt.

Die Liste mit Herausforderungen in den letzten 1,5 Jahren für mein Umfeld und mich ist beachtlich. Auch ohne Pandemie. Durch die Pandemie ergaben sich mit der Zeit noch zwei, drei mehr. Ja, da käme mir ein verheißungsvoller Sommer mit seiner Unbeschwertheit gerade recht.

Weniger arbeiten, mehr leben

Passend dazu lautet mein Vorsatz vom Frühjahr: „Weniger arbeiten, mehr leben“. Ab und zu ganz dekadent einen Prosecco oder Wein schlürfen. Mit dem SUP auf dem See dahingleiten. Echte soziale Kontakte, statt Zoom-Gesichter. Einen Abend, an dem mir mein Ehemann zwei, drei Stunden seiner ungeteilten Aufmerksamkeit bei einem Essen auswärts schenkt. Mir währenddessen die schönsten Komplimente macht, die mir je ein Mann machen könnte und frisch verliebt dreinschaut. Und ich wie Eis in der Sonne dahinschmelze.

Doch: Wenn es kommt, dann wohl dicke.

Die Herausforderungen reihen sich wie Perlen auf einer Kette aneinander.

Der zunehmend besorgniserregende gesundheitliche Zustand meiner Schwiegereltern, die mir so ans Herz gewachsen sind. Und die dieses Jahr ihren 60. Hochzeitstag (!) hatten, der nicht gefeiert werden konnte. Aus Gründen. 1,5 Jahre Homeschooling und -office. Belastende berufliche Situationen. Psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depression. Seit meinem Radunfall im November 2019 anhaltende Schmerzen in der rechten Schulter. Eine Versicherung, die die Behandlungskosten nicht zahlen will. Und weil mir die Privatsphäre und der Schutz meiner Herzensmenschen wichtig ist, zähle ich gar nicht alles auf. Das verstehst du bestimmt.

Herausforderungen sind wie ungebetenen Gäste

Die allermeisten Herausforderungen haben wir uns weder ausgesucht noch gewünscht. Sie sind wie ungebetene Gäste, die du niemals einladen würdest. Aber sie kommen trotzdem hinein. Es hilft nicht, so zu tun als ob sie nicht da wären. So wie ein Kleinkind denkt, dass es nicht gesehen wird, indem es sich die Augen zuhält. Das macht es meistens noch schlimmer. Damit uns diese anstrengenden, ungebetenen Gäste nicht auf der Nase herumtanzen und uns in den Boden stampfen, brauchen wir eine gut entwickelte Resilienz, deine innere Stärke.

Dabei ist mir übrigens die Idee zu meiner kostenlosen Resilienz-Sommer-Challenge gekommen. Den Gedanken, dass auch andere Frauen Lust haben könnten, diesen Sommer zu einem der glücklichsten ever zu machen, fand ich schön. In einer Gruppe mit anderen tollen Frauen ist die Motivation höher, es geht leichter und auch weil geteiltes Glück doppeltes Glück ist.

Ein Telefonat bringt den nächsten ungebetenen Gast

Vorgestern habe ich mit meiner Mutter telefoniert. Dieses Gespräch hat mich tief berührt und aufgewühlt. In vielerlei Hinsicht.

Dass unsere Lebensuhr irgendwann abläuft, verdrängen wir ja gern. Auch bei den eigenen Eltern. In der Hoffnung, dass sie noch lange alleine zurechtkommen. Und vielleicht auch deshalb: Wenn sie nicht mehr da sind, sind wir normalerweise die nächste Generation, die stirbt.

In 2020 habe ich sie Anfang Oktober zu ihrem 77. Geburtstag das letzte Mal gesehen. Bis Mai diesen Jahres hatten wir ausschließlich telefonischen Kontakt. Im Mai wirkte sie noch zerbrechlicher als sonst. Noch schwächer, eingefallener und manchmal unsicher beim Gehen. Ich habe für sie Unterlagen geordnet. Vieles kann sie nicht mehr lesen.

Vorgestern wusste sie nicht, wie alt sie ist.

Auch sind ihr manche Wörter nicht gleich eingefallen. „Wie sagt man gleich?“ war ein Satz, den sie oft sagte. Meine Alarmglocken schellten. Ein Hurricane an Gefühlen und Gedanken wirbelten in mir hoch. Bitte nicht. Nicht jetzt. Auch. Noch.

Meine Oma hatte Alzheimer. Hat ihre Schuhe mit dem WC verwechselt.

Und nun meine Mutter? All die Untersuchungen, Behördengänge die ihr, uns jetzt bevorstehen. Sie wohnt nicht gerade um die Ecke. Wir nennen es „Gurkistan“ weil es einem echten Serpentin-Gelände gleicht, bis wir von Konstanz zu ihr in den Schwarzwald gefahren (ugs. „gegurkt“) sind.

„Ich brauche das jetzt nicht! Ich will das jetzt nicht!“, sind erste Gedanken. Vielleicht kennst du das? Aber der nächste ungeladene Gast hat sich in mein Haus gedrängt. Dabei sind da schon einige, die ich nicht eingeladen habe. Das Haus ist voll. Manche sind leichter zu betreuen als andere. Sie bleiben auch nicht so lange. Manche sind gerade am Gehen. Und bei anderen ist klar: die bleiben sicher noch eine Weile hier. So wie dieser neue Gast.

Was jetzt kommt, ist eine weitere Prüfung meiner eigenen Resilienz.

Ich bin traurig und habe Angst sie sehr bald zu verlieren. Wieder einmal wird mir so deutlich vor Augen geführt, wie begrenzt unsere Zeit ist. Die Zeit mit den geliebten Menschen. Dabei habe ich doch vor fast genau 12 Jahren meinem Vater beigestanden, als er gestorben ist. Und mir das Versprechen gegeben, mehr Zeit mit den mir wichtigen Menschen zu verbringen.

Jetzt schäme ich mich. Denn ich merke, wie oft ich es zwischen dem Alltagstrubel und ungeladenen Gästen immer wieder vernachlässigt habe, mein Versprechen noch konsequenter umzusetzen.

Auf einmal passiert etwas Wunderbares.

Nach einer Weile stellt sich eine wohlige Ruhe in meinen Gedanken ein. Meine Befürchtungen haben sich auf einmal in Luft aufgelöst. Ich kann es nun annehmen wie es ist. Ich stehe da mit offenen Armen. Bereit, diesen ungebetenen Gast zu platzieren und ihn in seine Schranken zu weisen, wenn er mir mein Haus zu sehr auf den Kopf stellt und zu viel von meiner Energie beansprucht.

Ich bin jetzt bereit meine Mutter zu unterstützen und zu begleiten. Mit der mir zur Verfügung stehenden Kraft und Liebe. Ihr im letzten Lebensabschnitt zu schenken, was ihr in ihrem schweren Leben so oft gefehlt hat: sich geborgen und geliebt zu fühlen.

Das wäre mir vor einigen Jahren so nicht möglich gewesen. Weil es so vieles gab, was ich nicht verstanden habe und was ich meiner Mutter nicht verzeihen konnte.

(Mehr dazu kannst du hier lesen: Über mich )

Jahrzehnte bin ich mit einer offenen, schmerzenden Wunde durchs Leben gegangen. Bis ich begriff, dass diese tiefe Wunde erst heilen würde, bis ich meinen Frieden schließen und verzeihen konnte. Meiner Mutter, meinem Vater und mir selbst.

In meinem eigenen Schmerz, der Enttäuschung und der Wut habe ich nicht gesehen, was meine Mutter schon geleistet hat. Sie, die selbst in einer lieblosen, um nicht zu sagen brutalen Umgebung aufgewachsen ist, hat es zumindest für einen begrenzten Zeitraum meiner Kindheit geschafft, mir ihre Zuneigung zu zeigen. Meine Mutter kann sich nicht daran erinnern, dass sie von ihren Eltern in den Arm genommen wurde.

Und ab diesem Zeitpunkt konnte meine Wunde anfangen zu heilen.

Und der tiefe Graben zwischen meiner Mutter und mir hat sich geschlossen.

Resilienz ist das, was du benötigst, um im Leben mit all den Herausforderungen, Enttäuschungen, Misserfolgen und Schicksalsschlägen umgehen zu können: Ohne daran zu verzweifeln. Ohne selbst krank zu werden. Ohne Verbitterung oder Neid. Sondern trotz alledem ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. 

Ich werde ein weiteres Mal über mich hinauswachsen. Ich werde auch traurig, genervt und frustriert sein. An manchen Tagen werde ich an meine Grenzen kommen. Aber ich gehe nicht mehr dauernd darüber hinaus, sondern ziehe vorher die Reißleine. Ich verliere mich nicht im Perfektionismus und übernehme Verantwortung für Dinge, die ich beeinflussen und steuern kann. Und das ist oft viel mehr als man denkt.

Seit ich mich mit dem Thema Resilienz beschäftige, habe ich noch etwas ganz Wichtiges gelernt: Hilfe anzunehmen. Und die Königsklasse lautet: sich freiwillig und rechtzeitig Unterstützung zu holen. Das konnte ich früher überhaupt nicht. Ich war der Meinung: “Ich muss stark sein. Wer um Hilfe bittet, ist schwach. Oder unfähig. Oder zu faul.“ Wer will schon schwach und unfähig sein?

Heute weiß ich es besser.

Echte Herzensmenschen und UnterstützerInnen (von der Reinigungskraft bis zum Coach), die du in solch herausfordernden Zeiten um Entlastung und Begleitung bitten kannst, haben maßgeblich Anteil daran, wie gut du mit deinen Herausforderungen zurechtkommst. Gemeinsam ist es leichter. Und es ergeben sich dabei manchmal ganz tiefe, zwischenmenschliche Verbindungen.

Am Schönsten finde ich, trotz Anwesenheit all der ungeladenen Gästen noch lachen zu können. Und das wünsche ich mir: Mit meiner Mama und euch da draußen noch ganz viel lachen zu können und das Leben mit all den wunderschönen Facetten zu genießen. Dieser Sommer wird bestimmt einer der schönsten ever! Bist du dabei?

Gerne würde ich von dir erfahren, wie du über meine Zeilen denkst und welche Erkenntnisse du gewinnen konntest. Ich freue mich sehr über deinen Kommentar.

Von Herzen gutes Gelingen im Umgang mit deinen ungebetenen Gästen und dazwischen genügend Momente herzhaft loszulachen.

Fröhliche Grüße,

Deine Sandra